Wenn das Opfer eine Muslimin ist: Der Fall Rahma A. und das mediale Schweigen

Am 4. Juli 2025 wurde Rahma A., eine 26-jährige Algerierin, im niedersächsischen Arnum bei Hannover mutmasslich von einem deutschen Nachbarn ermordet – im Treppenhaus ihres Wohnhauses, auf dem Weg zur Arbeit. Die junge Frau lebte seit zwei Jahren in Deutschland, arbeitete im Krankenhaus, träumte von einer Zukunft als Pflegefachfrau.

Freund*innen und Angehörige berichten, dass sie sich bereits Wochen zuvor unsicher fühlte. Es gab Hinweise auf wiederholte Bedrohungen, abfällige Bemerkungen über ihr Kopftuch, ihre Herkunft – Hinweise, die auf ein rassistisches oder islamfeindliches Motiv deuten könnten. Die deutschen Strafverfolgungsbehörden ermitteln. Es gilt die Unschuldsvermutung. Und doch: Ein Mensch ist tot. Eine junge Muslimin – lebensfroh, engagiert, beruflich auf dem Weg nach vorn.

Was bleibt, ist Stille.

Während der Fall in Teilen der deutschen Community zu Protesten, Mahnwachen und politischer Anteilnahme führte, blieb die mediale Resonanz in der Schweiz bisher auffallend verhalten. Und das, obwohl Themen wie Gewalt, Radikalisierung und Migration hierzulande regelmässig aufgegriffen werden – insbesondere dann, wenn mutmassliche Täter muslimisch gelesene Personen sind.

Ein unausgewogenes Bild?

Als Föderation islamischer Dachorganisationen Schweiz (FIDS) beobachten wir mit Sorge, dass islamfeindliche Narrative in der öffentlichen Debatte schnell aufgenommen und verbreitet werden – selbst auf unsicherer Faktenlage. Wenn jedoch Muslime oder muslimisch gelesene Menschen Opfer von Gewalt werden, fehlt es häufig an Sichtbarkeit. Kaum ein Bericht. Kaum ein gesellschaftlicher Diskurs.

Uns ist bewusst: Der Fall Rahma A. ereignete sich nicht in der Schweiz. Dennoch stellen wir fest, dass wir in Interviews, Panels oder medialen Anfragen häufig auf Ereignisse in Deutschland oder Frankreich angesprochen werden – insbesondere dann, wenn die mutmasslichen Täter muslimisch gelesen werden.

Gerade deshalb ist es uns wichtig, die Perspektive zu erweitern: Auch Muslime sind Opfer. Muslimische Frauen erleben Gewalt – auch, weil sie sichtbar sind. Und genau deshalb darf ihre Geschichte nicht ungehört bleiben.

Was wir uns wünschen, ist mediale Augenhöhe.

Wir setzen uns dafür ein, dass muslimische Perspektiven und Erfahrungen in der Berichterstattung gleichwertig Beachtung finden. Es geht nicht um Sonderbehandlung – sondern um ein faires Gleichgewicht im medialen Umgang mit Gewalt, Diskriminierung und gesellschaftlicher Verantwortung.

Rahma A. war mehr als ein Opfer.
Sie war eine Tochter, Kollegin, Freundin – Teil unserer Gesellschaft. Ihr Tod steht nicht nur für ein mutmasslich rassistisches Verbrechen, sondern auch für ein strukturelles Ungleichgewicht in der öffentlichen Wahrnehmung.

Wir rufen dazu auf, hinzusehen. Hinzuhören. Und die Namen der Opfer sichtbar zu machen – unabhängig von Religion, Herkunft oder Kleidungsstil.