Stellungnahme zur aktuellen Kopftuchdebatte an Schulen

Die Föderation Islamischer Dachorganisationen Schweiz (FIDS) verfolgt die aktuelle Debatte rund um kopftuchtragende Lehrpersonen mit grosser Aufmerksamkeit und wachsender Sorge. Betroffen sind dabei nicht nur die jüngst öffentlich gewordene Lehrerin in Goldingen, sondern auch eine Dozentin an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW), gegen die zwei Grossräte eine Interpellation eingereicht haben – einzig aufgrund ihrer religiösen Kleidung. Wir stehen mit beiden betroffenen Frauen im persönlichen Austausch.

Dass die Schule in Goldingen die betreffende Lehrperson ursprünglich eingestellt hat, werten wir als Zeichen des Vertrauens und der Offenheit. Auch die Rückmeldungen von Eltern, die sich solidarisch mit der Lehrerin zeigten, geben Anlass zur Hoffnung. Gleichzeitig erkennen wir einen gefährlichen Trend: Einzelereignisse werden zunehmend politisiert, aufgeladen und zum Zündstoff für pauschale Islamdebatten gemacht.

Als offizielle Meldestelle für antimuslimischen Rassismus stellen wir mit Besorgnis fest, wie sich rassistische Kommentare und diskriminierende Berichterstattung insbesondere in den Kommentarspalten sozialer Medien häufen. Es entstehen dort Räume, in denen antimuslimische Hetze, stereotype Zuschreibungen und frauenfeindliche Narrative unwidersprochen kursieren – mit massivem Schaden für das gesellschaftliche Klima.

Wir distanzieren uns entschieden von der Behauptung, dass Frauen mit Kopftuch unterdrückt oder zu Objekten degradiert würden. Diese Sichtweise basiert nicht auf islamischer Theologie, sondern auf verzerrten, patriarchal geprägten Projektionen – oftmals vermischt mit persönlichen Erfahrungen, die in bestimmten Ländern gemacht wurden und nun fälschlich dem Islam zugeschrieben werden. Solche Zuschreibungen verkennen, dass die Schweiz ein Rechtsstaat ist, in dem Frauen über ihre Kleidung, ihren Glauben und ihr Leben frei entscheiden dürfen.

Wir sagen klar: Es gibt keinen Zwang im Islam. Wenn es jedoch Frauen gibt, die das Gefühl haben, unter Druck gesetzt zu werden – durch Familie, Gemeinschaft oder andere Strukturen –, dann fordern wir sie ausdrücklich auf, sich an uns zu wenden. FIDS steht gegen jede Form religiösen Zwangs. Wir treten für eine selbstbestimmte Glaubenspraxis ein – eine, die auf innerer Überzeugung und nicht auf äusserlichem Druck beruht. Zwang ist weder mit dem Geist des Islam noch mit den Grundwerten unserer Gesellschaft vereinbar.

Ebenso deutlich widersprechen wir dem Versuch, das Kopftuch als frauenfeindliches Symbol zu brandmarken. Frauen, die es aus Überzeugung tragen, sind keine Opfer. Sie sind reflektierte, handlungsfähige Individuen – Lehrerinnen, Studentinnen, Mütter, Führungskräfte – aus unterschiedlichen Lebensrealitäten, die selbst bestimmen, wie sie ihre religiöse Identität leben. Ihnen pauschal ein untergeordnetes Frauenbild zu unterstellen, ist nicht nur diskriminierend – es ist eine Entmündigung.

Die Schule als Ort der Neutralität darf nicht zur Bühne selektiver Ausgrenzung werden. Neutralität bedeutet nicht Unsichtbarkeit. Diskriminierung beginnt dort, wo religiöse Identität als Makel betrachtet wird. Wer Lehrerinnen mit Kopftuch pauschal die Fähigkeit abspricht, wertfrei zu unterrichten, misst mit zweierlei Mass. Auch Lehrpersonen ohne religiöse Symbole bringen eigene Überzeugungen mit in den Unterricht – entscheidend ist nicht das Aussehen, sondern die Haltung.

Zudem zeigen zahlreiche Meldungen, die bei uns eingehen, dass Diskriminierung im schulischen Umfeld kein Randphänomen ist. Kinder mit muslimischem Hintergrund berichten, dass sie im Klassenzimmer systematisch unterschätzt werden, dass ihnen trotz guter Leistungen Gymnasiumsempfehlungen verweigert werden. Manche Lehrpersonen stellen den Islam als rückständig dar oder verlangen theologische Erklärungen von Kindern – ein klarer Verstoss gegen das Neutralitätsprinzip. Es geht nicht nur um Benachteiligung, sondern auch um Blossstellungen, um subtilen Alltagsrassismus – mitten in einem Raum, der eigentlich Schutzraum und Ort des Lernens sein sollte.

Als FIDS sind wir auch für Schulen da. Wenn muslimische Kinder z. B. aufgrund elterlicher Überzeugungen nicht an gewissen Aktivitäten (Weihnachtsbasteleien, Osterfeiern etc.) teilnehmen möchten, ermutigen wir Lehrpersonen ausdrücklich, den Dialog mit uns zu suchen. Wir vermitteln, erklären, sensibilisieren – und suchen gemeinsam Lösungen. Wir setzen uns für ein respektvolles Miteinander ein, nicht für Parallelstrukturen oder Konfrontation.

Wir fordern alle Beteiligten auf: Suchen Sie den Dialog – nicht die Empörung. Wer Anliegen hat, soll sich an Fachstellen wenden – nicht an polemisierende Medien. Antimuslimischer Rassismus wird nicht durch Fakten, sondern durch Schlagzeilen genährt. Und er trifft am Ende nicht nur Einzelpersonen – sondern gefährdet den sozialen Frieden in unserem Land.

FIDS spricht folgende Empfehlungen aus:

  • Musliminnen und Muslime, die Diskriminierung erleben – in Schule, Beruf oder Alltag – sollen sich an unsere Meldestelle wenden.
  • Lehrpersonen, Schulleitungen oder Behörden, die unsicher im Umgang mit religiöser Vielfalt sind, laden wir herzlich ein, den Kontakt mit uns zu suchen.