Je höher die religiöse Bildung, desto unwahrscheinlicher das Abdriften in Extremismus.
Europa leidet unter dem islamistischen Terror. In Afrika sind in den letzten fünf Jahren mehr als 30 000 Menschen getötet worden, hundert Mal mehr als in Europa. Weltweit bezahlt den mit Abstand grössten Blutzoll die islamische Glaubensgemeinschaft. Die Diskussion um den Terror hat sich verbissen in die rhetorische Frage, ob er «was mit dem Islam» zu tun habe oder nicht. Wie oft bei Schuldfragen handelt es sich um eine Schuldzuweisung in Frageform. Während die Ankläger in Selbstgerechtigkeit schwelgen, suhlen sich die Angeklagten in Selbstmitleid. Wie dumm und bequem ist diese Fixierung! Ich bin zuversichtlich, dass unsere Muslime einen Ausweg aus der Gewaltbereitschaft eines Teils ihrer fanatisierten Anhänger und ihrer Lehrer finden werden. Wie auch die Christenheit ihre Begeisterung für Kreuzritter und Ketzerverbrennungen überwunden hat. Dabei hilft eine Erkenntnis aus der Befragung von Aussteigern aus dem islamistischen Terrorismus in Afrika: Je höher die religiöse Bildung, desto unwahrscheinlicher das Abdriften in Extremismus. Wer seinen Glauben kennt, lässt sich von Fanatikern weniger verführen. Dass wir Kreuze von Kirchen und Weihnachtslieder aus Schulen wegretuschieren und uns übers Glockengeläute echauffieren, zeigt den Notstand in unserer religiösen Bildung an.
Übernommen von Blick am Abend, 22.09.2017, Kolumnist Roman Diethelm, Pfarrer in Zürich