Antimuslimischer Rassismus an Schweizer Hochschulen: Warum Alltagserfahrungen sichtbar werden müssen

Gestern war unsere Generalsekretärin an der Universität St. Gallen eingeladen von der MSASG, der Muslim Students Association St. Gallen. Die MSASG ist ein Ort, an dem Studierende über ihre religiöse Identität, ihre Traditionen und ihren Alltag sprechen können. Eine Community, die stärkt, verbindet und Platz schafft für ehrliche Gespräche über Glauben, Studium und Gesellschaft.

In ihrem Input ging es um ein Thema, das viele betrifft, aber selten offen ausgesprochen wird: antimuslimischer Rassismus im Alltag. Wie klein er beginnen kann, wie verletzend er wirken kann – und warum so wenig davon gemeldet wird.

Was die Forschung zeigt: Diskriminierung ist real – die Meldungen sind es kaum

Die neue Grundlagenstudie «Antimuslimischer Rassismus in der Schweiz» (SZIG 2025) hält fest, dass Diskriminierungserfahrungen weit verbreitet sind. Besonders eindrücklich ist eine Zahl:

Von 2’471 Muslim:innen, die Diskriminierung erleben, meldet im Schnitt nur 1 Person den Vorfall. Das bedeutet: Fast alles bleibt unsichtbar: für Institutionen, Behörden und die Öffentlichkeit. Diese extreme Untererfassung passt auch zu dem, was die Studierenden in der anonymen Menti-Umfrage sagten: Viele haben klare Diskriminierung erlebt, aber sie melden es nicht. Die Gründe ähneln der Studie: Unsicherheit, fehlende Erwartungen an Wirkung, kein Vertrauen, nicht wissen, wohin.

Wie Diskriminierung aussieht und konkrete Beispiele aus unserer Praxis

Antimuslimischer Rassismus zeigt sich selten nur in dramatischen Schlagzeilen. Er passiert im Alltag. In Nebensätzen. In Türen, die sich nicht öffnen. In Blicken, die zu lange dauern. In Entscheidungen, die niemand überprüft.

1. Alltagsrassismus am Arbeitsplatz – der Fall “Mehmet”

Ein junger Mann erzählt uns, sein Vorgesetzter habe gesagt: “Mit einem Namen wie Mehmet wirst du hier nie eine Führungsposition bekommen.”

Für Aussenstehende mag das wie ein “Spruch” wirken. Für Betroffene ist es eine glasklare Botschaft: Du gehörst nicht dazu – egal, was du leistest.

Auf Wunsch der betroffenen Person greift FIDS in solchen Fällen nicht ein. Doch wir dokumentieren sie; sie gehören zu den häufigsten Formen von Alltagsrassismus, die uns gemeldet werden.

2. Ausschluss aus Angeboten – Beispiel Sporthijab

Eine Frau wird im Fitnessstudio abgewiesen, weil ihr Sporthijab “nicht den Regeln entspreche”. Trotz höflicher Nachfrage, trotz Hinweis auf Sportnormen, trotz Dialogversuchen: Keine Antwort. Keine Klärung. Kein Zugang.

Wir dokumentieren solche Fälle und bieten wenn gewünscht – eine erste rechtliche Einschätzung.

3. Online-Belästigung & Bedrohungen

Einige Fälle beginnen harmlos – ein Fake-Profil, merkwürdige Nachrichten. Dann wird es schnell ernst.

Wir unterstützen Betroffene dabei, Beweise zu sichern, Profile zu melden und wenn notwendig die Behörden einzubeziehen.

Diese Beispiele zeigen: Diskriminierung ist nicht nur ein Problem der extremen Fälle. Sie kann subtil beginnen und trotzdem nachhaltig verletzen.

Warum diese Meldungen wichtig sind

Viele Menschen glauben, ihr Erlebnis sei “nicht schlimm genug”. Oder: “Das bringt ja eh nichts.” Aber die Studie zeigt: Nicht die Anzahl der Vorfälle ist das Problem – es ist die fehlende Sichtbarkeit. Und sie verhindert Veränderung.

Jede Meldung hilft uns, Muster zu erkennen:

– Wo passieren Vorfälle?

– Welche Gruppen sind besonders betroffen?

– Welche Formen treten häufiger auf?

– Wo müssen wir politisch und gesellschaftlich ansetzen?

Nur wenn Fälle erfasst werden, können wir sie benennen, belegen und bekämpfen. Hast du selbst Diskriminierung erlebt oder jemand in deinem Umfeld? Es müssen nicht nur schwere Fälle sein. Nicht nur Drohungen. Nicht nur körperliche Vorfälle.

Auch Alltagsrassismus gehört gemeldet: Komische Kommentare. Unterstellungen. Ausschlüsse. Beleidigungen. Benachteiligungen. Auch wenn du unsicher bist, ob es “zählt” – melde es. Wir helfen dir einzuordnen.

Meldestelle (vertraulich, niederschwellig, unkompliziert):

Fids.ch/melden 

Du bist nicht allein. Und deine Erfahrung ist nicht “zu klein”, um wichtig zu sein.