Stellungnahme der FIDS zum NZZ Artikel von Rico Bandle

Alte Muster im neuen Diskurs

Mit seinem jüngsten NZZ Artikel bleibt Rico Bandle seinem bekannten Muster treu: Er verknüpft Einzelbeobachtungen mit kulturellen Zuschreibungen und schürt damit unterschwellig Ängste. Medienanalytisch betrachtet, folgt dies einem wiederkehrenden Narrativ, in dem Migration und muslimische Präsenz nicht als gleichberechtigt akzeptierter Teil der Schweiz dargestellt werden, sondern als potenzielle Bedrohung für eine vermeintlich homogene „Mehrheitsgesellschaft“.

Besonders deutlich wird dies bei Bandles Ausführungen zu „Expats“ und „Migranten“. Das führt zu absurden Kategorien: Ein Investmentbanker aus den Niederlanden gilt als „Expat“, eine Ärztin aus Singapur oder ein Manager aus Saudi-Arabien mit Tochter an einer internationalen Schule hingegen als „Migrant“ – nicht aufgrund von Aufenthaltsdauer oder Integration, sondern wegen Hautfarbe, Religion oder Herkunft.

Diese Unterscheidung folgt keinem sachlichen Kriterium, sondern einem Denkmuster, das tief in geschichtlichen Hierarchien wurzelt: „westlich“ und „weiss“ gilt als automatisch privilegiert – wer aber aus Albanien, Bosnien oder anderen Ländern mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung stammt, bleibt trotz europäischem Pass in der öffentlichen Wahrnehmung „Migrant“. Das ist kein neutraler Sprachgebrauch, sondern ein rassistisches Klassifikationsschema, das gesellschaftliche Trennlinien vertieft.

Immer wieder zeigt sich leider, dass islamische und alle anderen religiösen Symbole in der öffentlichen Debatte mit zweierlei Mass gemessen werden. Die hiesigen Muslime haben kein Problem damit, in einem Land mit christlicher Prägung zu leben und dieselben Muslime waren nicht die treibende Kraft hinter dem Verschwinden von Kreuzen aus Schweizer Klassenzimmern. Auch Kreuze an Wänden oder Halsketten stören die Muslime nicht. Was jedoch sehr sonderbar ist, sind diskriminierende Haltungen im Unterricht, die muslimische Kinder systematisch und pauschal als suspekt oder untergeordnet einstufen.

Aus unserer Arbeit wissen wir, dass es im Schulalltag immer wieder zu Vorfällen kommt: Abwertende Bemerkungen, gezieltes Blossstellen vor Mitschüler:innen, falsche Angaben zu Speiseinhalten oder die bewusste Missachtung religiöser Praktiken. Diese Fälle summieren sich zu einer Erfahrung permanenter Abwertung mit Folgen für Bildungserfolg und gesellschaftliche Teilhabe.

In der Schweiz wird die „christliche Tradition“ nicht durchgängig als Massstab angewendet. Manchmal ist sie gelebte Realität, manchmal tritt das Land als klar säkularer Staat auf – je nachdem, wie es gerade ins gewünschte Narrativ passt. In Bandles Text wird sie vor allem dann betont, wenn sie als Abgrenzungsmarke gegenüber Muslim:innen dienen kann. Dabei tragen Muslim:innen längst sichtbar zum gesellschaftlichen Leben bei: Sie zahlen Steuern, leisten Militärdienst, engagieren sich in Sportvereinen, schiessen Tore für die Nationalmannschaft, arbeiten als Apotheker:innen, Ärzt:innen, Unternehmer:innen und Handwerker:innen. Sie leben diese Gesellschaft mit und wollen das weiterhin tun.

Wäre da nur nicht das Kopftuch, das für manche zum Symbol einer unüberwindbaren Grenze stilisiert wird. Die Gleichbehandlung von religiösen Symbolen ist in der Schweiz aber arbeits- und verfassungsrechtlich verankert (Art. 8 BV, Diskriminierungsverbot). Ein Kopftuch zu verbieten, während Kreuz-Kettchen oder andere religiöse Zeichen erlaubt bleiben, ist keine „Traditionspflege“, sondern eine klare Ungleichbehandlung – und damit rechtlich anfechtbar.

Das Schweinefleisch als Kulturkampf Marker
In Teilen des öffentlichen Diskurses wird Schweinefleisch zudem zu einem Symbol hochstilisiert, an dem sich „Integration“ messen soll. Dabei wird übersehen: Auch Angehörige anderer Glaubensgemeinschaften sowie Menschen mit gesundheitlichen oder ethischen Überzeugungen verzichten darauf. Aus ökologischer Sicht wären mehr vegetarische Angebote für alle ein Gewinn.

Das Thema Schweinefleisch ist schlicht ein leicht zu instrumentalisierender Marker im Kulturkampf und deshalb besonders beliebt in bestimmten politischen Lagern. Dort werden auf Social Media regelmässig „Schreckensszenarien“ aus Deutschland geteilt, wonach Schweinefleisch bereits von den Speiseplänen verschwunden sei mit der unterschwelligen Warnung, dass dies auch hier bald Realität werde. Genau diese Form der Angstmacherei beschreibt die SZIG-Studie als zentralen Treiber für antimuslimische Ressentiments.

Wenn Mehrheitsgesellschaften für sich Sonderrechte beanspruchen, widerspricht das den Grundprinzipien eines Rechtsstaats, der für alle gleich gelten muss. Wer diese Gleichbehandlung aufweicht, riskiert, das gesellschaftliche Fundament zu beschädigen.

Ein Journalismus, der zukunftsfähig sein will, müsste Komplexität zulassen, statt alte Feindbilder zu bedienen. Die Schweiz kann nur dann als Gesellschaft zusammenwachsen, wenn Zugehörigkeit nicht über Hautfarbe, Herkunft oder Religion definiert wird sondern über das gemeinsame Engagement für dieses Land. Muslim:innen leisten diesen Beitrag längst im Beruf, im Ehrenamt, in Kultur, Wissenschaft und Sport. Sie wollen nichts anderes, als diesen Alltag im Dienste aller fortzusetzen.